Freitag, 12. September 2014

Mutter am Spieß - Geburt in Kambodscha

Für das aktuelle ÜMG Ostasiens Millionen zum Thema "Verändert Mission Kultur" habe ich einen Artikel über recht seltsame Rituale rund ums Mutterwerden in Kambodscha verfasst. Leider erschien nur ein kurzer Auszug aus dem Artikel, deshalb hier die komplette Version. 

Wir treten aus dem hellen Tageslicht in die Hütte. Die Augen müssen sich an die Dunkelheit gewöhnen. Auf dem Holzbett liegt die Mutter mit ihrem neugeboren Säugling. Sie ist in eine dicke Decke eingepackt. Die Füße stecken in Wollsocken, auf dem Kopf trägt sie eine warme Mütze. Eine Frau schürt die glühenden Kohlen unter dem Bett. Was ist los? Winterstimmung bei tropischer Hitze?


"Mehrgenerationenhaus"
Die Geburt des ersten Kindes ist in einigen asiatischen Gesellschaften mehr als ein einschneidendes Erlebnis. Sie ist für die Mutter eine Initiation, ein Aufstieg in einen neuen Zustand. Das erste Kind macht sie in den Augen der Gesellschaft zur reifen Frau. Dies ist so wichtig, dass eine Reihe von gesellschaftlichen Regeln und Verboten („Tabus“) damit verbunden sind.

Glühende Kohlen unter dem Bett sind Geschmacksache. Sie schaden jedenfalls nicht.

Das Kind hängt schon am Tropf
Gefährlich wird es bei Ernährungstabus. Es ist stillenden Müttern in den ersten Monaten verboten, Obst und Gemüse zu sich zu nehmen. Man sagt, dass dies den inneren „Energiehaushalt“ durcheinander bringt. Die Folge ist, dass bereits nach kurzer Zeit Mangelerscheinungen auftreten, bei Mutter und Kind.

Wir hielten uns nicht an diese Regeln. Kaum war unsere Tochter Evelyn und zwei Jahre später Bianca geboren, aß Marlen, was ihr gut tat. Am wichtigsten waren Vitamine, die im leckeren kambodschanischen Obst und Gemüse reichlich vorhanden sind. Marlen wurde nicht krank. Die Kinder gediehen prächtig.

Nachdem unsere Haushilfe unsere unbekümmerte Missachtung lange beobachtet hatte, vertraute sie sich Marlen eines Tages an. „Ich sehe, dass du dich nicht an unsere Tabus hältst. Deine Kinder sind gesund und du auch. Ich glaube, wir sollten auch damit aufhören. Dir schadet es nicht.“

Es gibt Gewohnheiten, die sitzen so tief, dass sie durchs Reden alleine nicht verändert werden. Die Menschen müssen unseren Alltag beobachten. Dazu müssen wir unser ganzes Leben mit ihnen teilen.

Das braucht Zeit. Aber so ändern sich Dinge – im natürlichen und auch im geistlichen Bereich.

Sonntag, 15. Juni 2014

C. S. Lewis - christlicher Denker mit weitem Horizont


Dieses Buch ist ein Mammutwerk: 439 Seiten Biographie, 50 Seiten Anhang, 15 Seiten Bibliografie mit Primär- und Sekundärwerken, über 40 Abbildungen aus Lewis’ Leben und aus seiner Zeit. 

Lewis wird in seiner ganzen Komplexität dargestellt: Literaturwissenschaftler, christlicher Apologet und Narnia-Schöpfer; außerdem Freund berühmter Zeitgenossen und „Ehemann“ von Joy Davidman. 

Wer bisher noch keine Biographie von ihm gelesen hat, ist mit diesem Buch gut bedient. Die Lebensthemen von Lewis werden gut herausgearbeitet: sein akademisches Wirken als Literaturwissenschaftler; seine langsame und widerwillige Bekehrung; sein beginnender Einfluss in England als Verfechter des christlichen Glaubens. Im letzten Kapitel geht McGrath auf das neue Interesse an den Gedanken von Lewis’ ein, besonders im amerikanischen Raum („Das Lewis-Phänomen“). 

McGrath steht als einem der ersten Biographen der gesamte erhaltene Schriftverkehr Lewis’ zur Verfügung, aus dem er ausführlich zitiert. Die 3500 Seiten Briefe, editiert vom Amerikaner Walter Hooper, seines Zeichens Sekretär und literarischer Nachlassverwalter, wurden erst zwischen 2000 und 2006 veröffentlicht. 

McGrath ist kein Zeitgenosse von Lewis wie einige Biographen vor ihm; trotzdem spürt man ihm seine Bewunderung für den Denker an vielen Stellen ab. Macht ihn dies für Unkorrektheiten und Schwächen in Lewis’ Leben und Werk blind? 

C.S. Lewis, wie man ihn kennt
Während in anderen Biographien auch logische Fehlschlüsse in den apologetischen Schriften angeprangert werden, macht sich McGrath zum Fürsprecher an Stellen, bei denen er den Autor „missverstanden“ glaubt. 

Er stellt auch die fragwürdige Beziehung zu Mrs Moore dar, thematisiert aber, im Gegensatz zu anderen Darstellungen, eine mögliche erotische Beziehung in keiner Weise. 

Im Gegenzug werden seiner späteren Frau Joy Davidman eigensüchtige Motive in ihrer Beziehung zu Lewis vorgeworfen. Die Beweislage zu diesen Vorhaltungen (eigentlich war nur eine Scheinehe abgesprochen) sind jedoch gut recherchiert und nachvollziehbar. Trotzdem bekommt man den Eindruck, McGrath wolle seinen Schützling im Nachhinein vor diesem kapitalen Lebensfehler bewahren. 

Der Autor: Alister McGrath
Diese Schwachstellen schmälern aber meiner Meinung nach den Wert dieser Biographie nur unwesentlich. Das Buch ist gut lesbar, öffnet die Gedankenwelt des genialen Wissenschaftlers und eindrucksvollen Apologeten. Mir hat es Lust gemacht, mich erneut in Lewis' Schriften zu vertiefen. 

Alister McGrath 
C. S. Lewis - Die Biografie: Exzentrisches Genie. Prophetischer Denker
Brunnen Verlag Basel, 1. Auflage Februar 2014
496 Seiten, gebunden, 24,99 Euro
ISBN 978-3765518065

Mittwoch, 30. April 2014

Ein moderner Jesus

Gibt es auf Erden noch Glauben an Gott? Falls ja, wo ist er zu finden? 

Jesus begegnet innerhalb einer Woche sechs Personen aus unterschiedlichen Milieus und Anhänger unterschiedlicher Konfessionen. Einige sind ganz normale Menschen, andere „beruflich religiös“. Jesus begegnet ihnen in ihrem Alltag, lässt sie Wunder sehen, versucht sie, zu gewinnen. Denn Wunder bewirken nicht zwangsläufig Glauben, ebenso wenig wie tägliche Beschäftigung mit Bibel und Theologie. Manchmal wird der Glaube an Gott auch einfach von tragischen Lebensführungen verschüttet.

Ich habe das Buch gleich zweimal gelesen, so tief sind die Dialoge. Mir begegnet ein „moderner“ Jesus, wie ich ihn auch aus der Bibel kenne: jedem Menschen freundlich zugewandt und respektvoll, gleichzeitig unbequem. Er stellt jeden der Besuchten vor die Entscheidung, „ihm nachzufolgen“, um es mit einer biblische Vokabel zu beschreiben. Die Dialoge werden auf Augenhöhe geführt und gute Gründe für den Glauben ins Feld geführt. Die Entscheidung für oder gegen Jesus muss jedoch jeder selber treffen.

Die Mischung aus hochwertiger Aufmachung (Leineneinband, wunderschönes Schriftbild), ansprechendem Schreibstil und intelligenter Story gefällt mir. Lange hatte ich gerätselt, wie der Autor die versprochene „Wiederkunft Jesu“ umsetzt und hat mit den letzten Zeilen für eine gelungene Überraschung gesorgt.


Fazit: Für dieses Buch gebe ich gerne fünf Sterne! 

Melvin J. Sandström 
Der Eindringling
Brunnen Verlag Basel, 1. Auflage Februar 2014
208 Seiten, gebunden, 12,99 Euro

Samstag, 19. April 2014

Endlich: Stille Zeit mit Comic!

Coffee with Jesus von David Wilkies "Radio Free Babylon"


Erwartet hatte ich ein entspannendes Buch für kurze Pausen, wenn man nur Zeit für ein paar kurze Comic-Strips hat. Erhalten habe ich eine geballte Ladung an witzigen, kurzen, kernigen Dialogen, die manche typische Eigenheit der westlichen Christenheit in ihrer Flachheit entlarven. In einer knappen Antwort von „Jesus“ steckt oft mehr Inhalt als in vielen, wortreichen Predigten. Oft lenken sie mein eigenes Denken in eine neue Richtung.

Manchmal muss ich grinsen, wenn moderner Frömmigkeitsstil wunderbar aufs Korn genommen wird. An anderen Stellen fühle ich mich in meinem eigenen seltsamen Denken ertappt. 

Bis auf ganz wenige Ausnahmen ist die Adaption der vier-Bilder-Geschichten aus dem amerikanischen Sprachraum in die deutsche Kirchenkultur gut gelungen. Unglaublich, wie viel Tiefgang in vier (immer gleich bleibenden) Bildern mit wenigen Worten vermittelt wird. 

Zwei Beispiele, die mir gut gefallen haben: 


Joe: Etwas mehr Liebe, etwas mehr Freude, etwas mehr Frieden, etwas mehr Geduld, etwas mehr Güte, etwas…
Jesus: Mal langsam, Joe.
Joe: Herr?
Jesus: Warum denn nur „etwas“? Mach da ruhig ein Maxi-Menü draus. Das volle Programm!

Lisa: In dieser einen Sache müsste ich unbedingt bald mal etwas von dir hören, Jesus.
Jesus: Wirst du auch, Lisa. 
Lisa: Das ist echt gut zu wissen. Und wann bekomme ich meine Antwort?
Jesus: Wenn du aufhörst, dir vorzustellen, die Antwort sei „Ja“.


David Wilkie
Coffee with Jesus
Brunnen Verlag Basel; 1. Auflage März 2014
120 Seiten, broschiert, 11,60 Euro

Radio Free Babylon auf Facebook

Freitag, 21. März 2014

Studientag: Fokus Vietnam (5. April 2014 in Gießen)

Vietnam fasziniert mich. Deshalb freue ich mich besonders auf die vielen Veranstaltungen, die wir mit der ÜMG im April durchführen werden.

Für jeden Besucher haben wir eine Exemplar dieses Heftes gedruckt. Du kannst es jetzt und hier schon lesen...

Falls du noch nicht weisst, von welcher Veranstaltung ich spreche: klicke hier

Mittwoch, 19. März 2014

Rezension: Duc, der Deutsche

Ein Blick in die Vergangenheit, kaum Bezug zur Gegenwart 

Ich gehöre nicht zu der Generation, deren wilde Jugend mit dem Vietnamkrieg zusammenfiel und habe keine friedensbewegten Zeiten hinter mir. Dieser Krieg ist für mich Geschichte.

In den letzten Jahren ist mein Interesse an Vietnam jedoch beständig gewachsen. Wirtschaftlich und politisch aufstrebend, ist dieses Land nach China die Nummer zwei. Aus diesem Grund hatte diese Buchankündigung mein Interesse geweckt in der Hoffnung, das Land im Licht der Geschichte besser zu verstehen.

Schon nach wenigen Zeilen ist klar, warum der in den USA lebende Siemon-Netto auf eine beeindruckende Karriere als Journalist zurückblicken kann. Mit wunderbar eloquenter Feder berichtet er von berührenden und erschreckenden Kriegserlebnissen. Er war keiner derjenigen Reporter, die aus der Sicherheit ihrer Hotels Einschätzungen zur militärischen Lage von sich gaben. Er nutzte jede Gelegenheit, um sich vor Ort ein eigenes Bild von den Vorgängen zu verschaffen und sich im Gespräch mit Soldaten, Generälen und Politikern zu informieren. Es sind die persönlichen Begegnungen, die Gespräche, seine Augenzeugenberichte, aber auch militärische Reflexionen, die dieses Buch lebendig machen.

Trotzdem stellt sich mir nach der Lektüre des Buches die Frage nach dem Sinn dieser Publikation im deutschen Sprachraum. Es scheint anachronistisch, 40 Jahre nach dem Ende dieses Krieges ein Buch zu veröffentlichen, dessen Bericht mit Siemon-Nettos letzten Besuch in Vietnam im Jahr 1972 endet.

Damit ist klar, dass die Frage, wie die blutige Geschichte das heutige Vietnam geformt hat, ausgeklammert ist. Weder wird der Leser über die heutige politische Situation aufgeklärt, noch darf er einen Blick in die (noch immer traumarisierte?) Volksseele werfen. In keinem Exkurs geht er auf die bedeutenden vietnamesischen Auslandsgemeinden (USA, Deutschland etc.) ein. Das Buch bleibt fast vollständig in der Vergangenheit stehen, von einigen wenigen Parallelen zu heutigen Krisenherden (Afghanistan, Irak) abgesehen.

Augenzeugen und Historiker werden in diesem Buch Dinge lesen, die ihnen in anderen Quellen vielleicht vorenthalten wurden (Siemon-Netto führt in diesem Buch außerdem einen - m.E. berechtigten - Kampf gegen ideologisch motivierten Journalismus). Doch so spannend die Erlebnisse zu lesen sind, bleiben trotzdem viele Fragen offen. Der Klappentext, dieses Buch sei eine „Liebeserklärung an das vietnamesische Volk“, ist wahr. Aber es ist eben doch eine Liebe zu den Vietnamesen der Siebzigerjahre und nicht zum Vietnam des 21. Jahrhunderts.

Und das ist mir zu wenig.

Bibliographische Angaben:
Duc, der Deutsche: Mein Vietnam. Warum die Falschen siegten
Brunnen Basel, 1. Auflage (Februar 2014)
320 Seiten mit 37 Fotos, 15,99 Euro

ISBN 978-3765520242