Samstag, 30. März 2013

Raschid Idrissi - Der Sohn des Imams


Raschid Idrissi kommt aus Marokko. Der heute 54jährige erzählt in diesem Buch seine Lebensgeschichte. 

Im ersten Teil beschreibt er den Alltag seiner Kindheit und Jugend in Marokko, in einer traditionell-islamischen Familie. Dort hat der Vater, ein hoch angesehener Imam, das Sagen. Die Mutter, eine Analphabetin, akzeptiert sein despotisches Verhalten als von Allah vorgeschrieben. Die Kinder leiden unter einer harten, lieblosen Erziehung. 

Interessant ist in diesem Blick in das Innere der Familie die Frage des Autors, ob man "von einem Menschen, der jahrzehntelang mehrmals täglich seinen Gott anbetet und seine Botschaft an die Menschen auswendig kennt und auch anderen vermittelt, Freundlichkeit, Zuneigung, Interesse und Liebe erwarten [könne] und nicht Härte und Grausamkeit?" Immer wieder unterbricht der Autor seinen Bericht, um ihn durch Exkurse zur Lehre des Islam, zu Allah und zu seinem Propheten Mohammed anzureichern. 

Der sprachbegabte Idrissi studiert Germanistik und im Nebenfach Russisch. Wegen seiner guten Leistungen erhält er ein Kurzstipendium in Deutschland. Daraufhin beschließt er, sein Studium in Deutschland zu beenden. Er lässt sich in Freiburg nieder und hat schon bald eine deutsche Freundin. Da sein Lebenswandel nicht mehr der islamischen Lehre entspricht, entfernt er sich immer mehr vom Glauben seiner Väter. Er fühlt sich wohl, bis… er sich im Gefängnis wieder findet. Seine Freundin hat ihn verleumdet und der Vergewaltigung bezichtigt. So beginnt seine lange Odyssee durch Gefängnisse und Gerichte. Auf 100 Seiten berichtet er vom Alltag hinter Gittern und von seinen unterschiedlichen Zellengenossen und darüber, wie seine Abschiebung nur um Haaresbreite und durch ein unbegreifliches Wunder abgewendet wurde.  

Der interessanteste Teil des Buches ist für mich die Vorstellung der Arbeit des Schwarzen Kreuzes. Diese christliche Organisation hilft bundesweit Straffälligen und ihren Angehörigen während und nach der Haft. Zuwendung, persönliche und praktische Hilfe, Gottesdienste und Gesprächskreise vermitteln Gefangenen Hoffnung und eine neue Perspektive. 

Raschid Idrissi schließt sich sehr skeptisch einem Bibelkreis an, in der Hoffnung auf Abwechslung im tristen Alltag. Er hört dort biblische Geschichten, vergleicht sie mit dem Koran, zweifelt, fragt nach und forscht intensiv nach der Wahrheit. Die Nächstenliebe der Christen, die ganz anders aussieht als die Nächstenliebe des Islam, verbunden mit der Einheit von Wort und Tat berühren ihn tief. An dieser Stelle liefert der Autor wieder einige Vergleiche zwischen Koran und der Bibel. Letztendlich waren es aber nicht die Argumente der Christen, die ihn überzeugten, sondern Gott, der sich ihm in verschiedenen Situation offenbarte und ihm persönliche Antworten auf seine Fragen gab. 

Dieses Buch ist eines der wachsenden Anzahl von Zeugnissen von Muslimen, die Gott und Jesus Christus auf wunderbare Weise als wahrhaft barmherzigen und gnädigen Vater kennen gelernt hat. Es öffnet außerdem den Blick hinter Gefängnismauern und macht Lust, die Arbeit des Schwarzen Kreuzes ehrenamtlich zu unterstützen. 

Fünf Sterne für den Inhalt, einen Punkt Abzug für den stellenweise eher holprigen Erzählverlauf. 

Brunnen Basel, ISBN 978-3-765-54192-6, Preis 9,99 Euro